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Aktuelles zum Thema Funktionelle Medizin

  • Autorenbild: Sonja Speck
    Sonja Speck
  • 29. Nov.
  • 11 Min. Lesezeit
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Jod gehört zu den Nährstoffen, über die im Alltag wenig gesprochen wird, obwohl jede Zelle im Körper davon abhängig ist. Es beeinflusst unseren Energiehaushalt, den Stoffwechsel, Wachstum und Regeneration, die Regulation von Hormonen, die Entwicklung des Nervensystems, das Immunsystem, Fruchtbarkeit und die Entwicklung von Kindern. Wenn Jod fehlt, zeigt sich das oft nicht nur an der Schilddrüse, sondern in vielen unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit, Kälteempfindlichkeit, Haarausfall, trockener Haut, Konzentrationsproblemen, Stimmungsschwankungen, Zyklusbeschwerden oder unerfülltem Kinderwunsch.

Gleichzeitig kursieren sehr widersprüchliche Botschaften. Deutschland gilt nach aktuellen Auswertungen wieder als Jodmangelgebiet, weil ein relevanter Teil von Kindern und Erwachsenen die empfohlene Zufuhr nicht erreicht. Fisch, Meeresfrüchte und Algen stehen selten regelmäßig auf dem Speiseplan, viele Menschen verlassen sich fast ausschließlich auf jodiertes Speisesalz. Gleichzeitig wird vor Jod gewarnt, vor allem bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse. Das verunsichert verständlicherweise.

In diesem Beitrag geht es darum, Jod einmal in Ruhe und ganzheitlich einzuordnen. Was ist Jod. In welchen Lebensmitteln kommt es vor. Welche Aufgaben erfüllt es im Körper. Wie können Mangel und Überforderung aussehen. Welche Rolle spielen die Natriumiodid-Symporter als Jodtransporter.


Was ist Jod

Jod ist ein essenzielles Spurenelement. Essenziell bedeutet, dass der Körper es nicht selbst herstellen kann und vollständig auf eine regelmäßige Zufuhr über Nahrung oder Nahrungsergänzung angewiesen ist. Spurenelement bedeutet, dass nur sehr kleine Mengen benötigt werden, diese aber eine große Wirkung haben.

Ein erwachsener Körper enthält insgesamt nur wenige Dutzend Milligramm Jod. Ein Teil zirkuliert im Blut, ein großer Teil wird in der Schilddrüse gespeichert, kleinere Mengen in anderen Geweben. Diese kleine Gesamtmenge muss reichen, um alle Jod-abhängigen Prozesse dauerhaft zu versorgen.

Die offiziellen Zufuhrempfehlungen sind in erster Linie so gewählt, dass schwere Mangelfolgen wie ausgeprägte Kropfbildung oder deutliche Entwicklungsstörungen sicher verhindert werden. Sie sagen noch nichts darüber aus, ob sich jemand bei dieser Mindestzufuhr wirklich optimal versorgt und vital fühlt.


In welchen Lebensmitteln steckt Jod

Jod ist vor allem ein Mineralstoff aus dem Meer. Entsprechend sind Lebensmittel aus dem Meer unsere wichtigsten natürlichen Quellen.

Zu den reichhaltigen Quellen gehören Meeresfische wie Seelachs, Kabeljau, Schellfisch oder Scholle und Meeresfrüchte. Schon eine normale Portion kann einen großen Teil der empfohlenen Tageszufuhr abdecken.

Algen wie Nori, Wakame, Kelp und andere Seetange sind besonders jodreich. Kleinste Mengen getrockneter Algen können ausreichen, um den Tagesbedarf zu decken, teilweise sogar deutlich zu überschreiten. Hier braucht es Dosierungsgefühl und gute Information über den tatsächlichen Jodgehalt.

Eier und Milchprodukte enthalten je nach Fütterung der Tiere ebenfalls Jod. Über jodiertes Mineralfutter gelangt etwas Jod in Milch, Joghurt, Käse und Eier. Diese Lebensmittel können die Grundversorgung unterstützen, reichen allein aber selten aus, wenn ansonsten wenig Jod gegessen wird.

Einige Gemüsesorten, Nüsse und Hülsenfrüchte enthalten ebenfalls Jod, allerdings in deutlich geringeren Mengen als Meereslebensmittel. Wie viel tatsächlich enthalten ist, hängt stark vom Jodgehalt des Bodens ab.

Damit du ein Gefühl für die Größenordnungen bekommst, hier beispielhafte Jodgehalte pro 100 g (gerundete Durchschnittswerte, können je nach Herkunft und Analyse schwanken):

Algen und Seetang insgesamt: bis etwa 10 000 µg

Wakame (getrocknet): um 5 000 µg

Nori (getrocknet): etwa 2 000–5 000 µg

Schellfisch: etwa 150 µg

Seelachs: etwa 260 µg

Scholle: etwa 190 µg

Kabeljau: etwa 120 µg

Eier: etwa 10–20 µg pro 100 g (pro Ei je nach Größe und Fütterung)

Milch: etwa 11 µg pro 100 ml

Sahne: etwa 6–9 µg pro 100 g

Quark: etwa 6–9 µg pro 100 g

Joghurt: etwa 6–9 µg pro 100 g

Hartkäse: etwa 20–40 µg pro 100 g

Cashewkerne: etwa 10 µg

Brokkoli: etwa 14 µg

Spinat: etwa 11 µg

Grünkohl: etwa 10 µg

Fenchel: etwa 5 µg

Erbsen: etwa 4 µg

Walnüsse: etwa 3 µg

Erdnüsse: etwa 14 µg

Man sieht daran auch, warum Meereslebensmittel eine so besondere Rolle spielen und warum es schwer ist, allein über Gemüse, Nüsse und Getreide genug Jod aufzunehmen, wenn Fisch und Algen komplett fehlen.


Wie viel Jod steckt in Jodsalz

Für viele ist jodiertes Speisesalz die wichtigste Jodquelle. In Deutschland ist genau geregelt, wie viel Jod zugesetzt werden darf. Der Jodgehalt liegt gesetzlich zwischen 15 und 25 Milligramm Jod pro Kilogramm Speisesalz.

Um das greifbar zu machen:

1 kg Jodsalz mit 15–25 mg Jod enthält 15–25 µg Jod pro Gramm Salz.1 g Jodsalz liefert also ungefähr 15–25 µg Jod, im Mittel etwa 20 µg.

5 g Jodsalz (etwa ein gestrichener bis gehäufter Teelöffel) enthalten dann ungefähr 75–125 µg Jod, im Mittel rund 100 µg.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Erwachsenen maximal etwa 6 g Speisesalz pro Tag. Real liegt die durchschnittliche Aufnahme aber höher, bei etwa 8,4 g Salz täglich bei Frauen und rund 10 g bei Männern.

Das heißt: Selbst wenn jemand ausschließlich Jodsalz verwenden würde, hängt die tatsächliche Jodzufuhr stark davon ab, wie viel Salz insgesamt gegessen wird, wie hoch der Jodgehalt in genau diesem Salz ist und wie viel davon beim Kochen oder durch ungünstige Lagerung verloren geht. Untersuchungen zeigen, dass durch Licht, Feuchtigkeit, Temperatur und lange Lagerung ein Teil des Jods im Salz mit der Zeit abgebaut werden kann.

Dazu kommt, dass wir aus anderen Gründen nicht immer mehr Salz essen sollten. Deshalb ist Jodsalz aus meiner Sicht eher eine zusätzliche Stütze, aber keine wirklich hochwertige Hauptlösung für die Jodversorgung.


Funktionen und Wirkungen von Jod im Körper

Jod wird oft nur mit der Schilddrüse in Verbindung gebracht, seine Wirkung geht aber deutlich weiter. Es gibt mehrere große Bereiche, in denen Jod eine zentrale Rolle spielt.

Schilddrüse und Stoffwechsel

Die Schilddrüse speichert einen Großteil des Jods und benötigt es, um die Schilddrüsenhormone T4 (Thyroxin) und T3 zu bilden. Diese Hormone sind eine Art innerer Taktgeber für den gesamten Stoffwechsel. Sie steuern unter anderem Grundumsatz, Temperaturregulation, Herzfrequenz, Verdauungstempo, Muskelkraft und Regeneration.

Fällt die Jodzufuhr länger zu niedrig aus, kann die Schilddrüse wachsen, um mehr Jod aus dem Blut zu „fangen“. Es kann zu Kropf, Knoten oder Funktionsstörungen kommen. Auch ohne dramatische Befunde kann ein zäher, langsamer Stoffwechsel entstehen, der sich in Müdigkeit, Antriebslosigkeit und einer Neigung zu Gewichtszunahme zeigt.

Weitere Drüsen und Gewebe

Der Körper nutzt Jod nicht nur in der Schilddrüse. Damit Zellen Jod aufnehmen können, gibt es Transportproteine, die Natriumiodid-Symporter. Diese sitzen nicht nur in den Zellen der Schilddrüse, sondern auch in verschiedenen anderen Drüsen und Geweben, zum Beispiel in Speicheldrüsen, Magen- und Darmschleimhaut, Brustdrüsen, Prostata, Tränendrüsen und Teilen des Hormonsystems wie Hypophyse und Eierstöcken.

Das bedeutet: Auch diese Gewebe brauchen Jod für ihre Arbeit. Wenn wir immer nur auf die Schilddrüse schauen, unterschätzen wir, wie verteilt Jod im Körper tatsächlich gebraucht wird.

Brustdrüsen, Prostata und Pubertät

Besonders spannend ist die Rolle von Jod in den Brustdrüsen bei Mädchen und Frauen und in der Prostata bei Jungen und Männern.

In der Pubertät verändern sich die hormonaktiven Gewebe stark. Bei Mädchen beginnen die Brustdrüsen zu wachsen, werden hormonell aktiv und beanspruchen mehr Jod. Bei Jungen reifen Hoden und Prostata und verändern sich ebenfalls stark. Das gesamte Hormonsystem fährt hoch, und der Körper braucht in dieser Phase viele Bausteine, zu denen auch Jod gehört.

Wenn die Jodversorgung insgesamt schon eher knapp ist, kann es vorkommen, dass Brustdrüsen und andere Gewebe in dieser Phase vermehrt Jod aufnehmen und für die Schilddrüse vergleichsweise weniger übrig bleibt. Das kann mit dazu beitragen, dass gerade bei Jugendlichen in der Zeit der sexuellen Reife Schilddrüsenfunktionsstörungen sichtbar werden oder sich eine vergrößerte Schilddrüse entwickelt.

Hormone, Fruchtbarkeit und Schwangerschaft

Jod ist über die Schilddrüsenhormone und direkt an der Bildung von Sexualhormonen beteiligt, etwa bei Progesteron und Testosteron. Es spielt damit eine Rolle bei der Regulation des Zyklus, bei der Fruchtbarkeit, bei der Qualität von Eizellen und Spermien und bei Stimmung und Muskelaufbau.

Besonders wichtig ist Jod in der Zeit rund um Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit. In dieser Phase muss die Mutter ausreichend versorgt sein und gleichzeitig das Kind mitversorgen. Schon milde Joddefizite in der frühen Schwangerschaft können die Hirnentwicklung des Kindes messbar beeinflussen.

Nervensystem und kindliche Entwicklung

Der sich entwickelnde kindliche Organismus ist auf eine stabile Jodzufuhr angewiesen. Ein ausgeprägter Mangel in der Schwangerschaft und frühen Kindheit kann zu bleibenden Entwicklungsstörungen führen. Auch leichtere Formen von Jodmangel werden mit Einschränkungen von Aufmerksamkeit, Lernfähigkeit und feiner Motorik in Verbindung gebracht.

Mitochondrien und Energie

Die Mitochondrien, also die „Kraftwerke“ der Zellen, reagieren empfindlich auf die Höhe der Schilddrüsenhormone. Ohne ausreichend Jod kann die Schilddrüse nicht optimal arbeiten. Das Ergebnis kann sich wie ein chronischer Energiemangel anfühlen: ständige Müdigkeit, das Gefühl von innerer Schwere, geringe Belastbarkeit, langsame Regeneration und eine generelle Verlangsamung von Körper und Kopf.


Warum ein langsamer Einstieg sinnvoll ist

Damit Jod überhaupt in die Zellen gelangt, braucht es Transporter wie den Natriumiodid-Symporter. Der Körper reguliert, wie viele dieser Transporter gebildet werden und wie aktiv sie sind. Das hängt unter anderem davon ab, wie viel Jod im System unterwegs ist und welche Signale von Hormonen wie TSH kommen.

Wenn über längere Zeit sehr wenig Jod aufgenommen wird, passt sich der Körper an diesen Mangelzustand an. Man kann sich das vereinfacht so vorstellen: Er richtet sich in einem sparsamen Modus ein, in dem er mit wenig Nachschub gerade so auskommt. Die Anzahl der Transporter, die Empfindlichkeit der Gewebe und die gesamte Regulation werden auf dieses niedrige Niveau eingestellt.

Beginnt man nach Jahren oder Jahrzehnten plötzlich, hohe Jodmengen zuzuführen, prallt diese Menge auf ein System, das strukturell auf Mangel eingestellt ist. Der Körper kann das nicht von einem Tag auf den anderen verarbeiten, weil Transporter und Zielgewebe erst wieder „hochgefahren“ werden müssen. In dieser Anpassungsphase können Überforderung, Unruhe, Gereiztheit oder Verschlechterungen von Symptomen auftreten, obwohl Jod als Grundidee nötig und sinnvoll ist. Es ist dann nicht „falsch“, sondern einfach zu schnell zu viel.

Genau deshalb ist es sinnvoll, mit Jod langsam einzusteigen, die Reaktion des Körpers zu beobachten und in kleinen Schritten zu steigern. So haben die Natriumiodid-Symporter Zeit, sich neu anzupassen, Drüsen und Gewebe können ihre Speicher geordnet auffüllen und das Zusammenspiel mit anderen Nährstoffen kann Schritt für Schritt stabilisiert werden.


Jod, Oxidationsstress und Schilddrüsenautoimmunität

Bei der Verarbeitung von Jod in der Schilddrüse entstehen vorübergehend reaktive Sauerstoffverbindungen, also freie Radikale. In einem gut versorgten Gewebe werden diese durch Antioxidantien und schützende Nährstoffe neutralisiert. Dazu gehören zum Beispiel Selen, Vitamin A, Vitamin C, Zink und andere antioxidativ wirksame Stoffe.

Fehlen diese Schutzfaktoren und liegt bereits eine Entzündung oder strukturelle Schwächung der Schilddrüse vor, kann eine plötzliche oder sehr starke Erhöhung der Jodzufuhr zusätzlichen Stress erzeugen. Jod ist dann nicht die ursprüngliche Ursache für Hashimoto oder andere Autoimmunprozesse, sondern eher ein Beschleuniger eines bereits instabilen Zustands.

Viele große Untersuchungen betrachten zudem vor allem Jod über jodiertes Speisesalz und nicht über natürliche Lebensmittelquellen oder sorgfältig begleitete Ergänzung. Der Kontext ist also entscheidend: Wie ist die Schilddrüse strukturell aufgestellt, wie sieht der Entzündungsstatus aus, wie sind Selen, Vitamin D, Zink, Omega 3, Darmgesundheit und Stressregulation.


Jodmangel in Deutschland und in typischen Regionen

Deutschland ist geologisch ein klassisches Jodmangelgebiet. Ein großer Teil des Jods ist in früheren Eiszeiten mit Schmelzwässern Richtung Meer ausgewaschen worden. Die Folge: In vielen Binnen- und Gebirgsregionen sind Böden und damit pflanzliche Lebensmittel relativ arm an Jod.

Die Jodversorgung konnte durch Jodsalz und mit Jod angereichertes Tierfutter zeitweise deutlich verbessert werden. In den letzten Jahren zeigen Monitoringprogramme allerdings, dass die Versorgung wieder rückläufig ist. Ein erheblicher Anteil von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen liegt unterhalb der WHO-Grenzwerte für eine als ausreichend bewertete Jodzufuhr.

Besonders betroffen sind eher meeresferne Regionen mit jodarmen Böden, etwa viele südliche Bundesländer und Bergregionen. In Auswertungen wird Baden-Württemberg immer wieder als typisches Jodmangelgebiet genannt, weil hier Böden besonders jodarm sind und gleichzeitig eher weniger Seefisch traditionell verzehrt wird.

Der Trend zu weniger Fleisch und Milchprodukten, seltenerem Fischkonsum, häufiger veganer oder vegetarischer Ernährung ohne bewusste Jodplanung und die gleichzeitige Reduktion von Jodsalz in der Lebensmittelindustrie tragen zusätzlich dazu bei, dass die Versorgung insgesamt wieder nach unten rutscht.


Mögliche Symptome eines Jodmangels

Jodmangel kann sich auf vielerlei Weise äußern. Die folgenden Symptome sind nicht spezifisch, können aber Hinweise geben, dass ein genauer Blick auf Jod, Schilddrüse und Hormonsystem sinnvoll wäre.

Mögliche Anzeichen sind zum Beispiel:

  • ungeklärte Gewichtszunahme bei gleichbleibender Ernährung

  • Müdigkeit,

  • Antriebslosigkeit,

  • verlangsamtes Denken,

  • „Brain Fog“, Nebel im Gehirn

  • Kälteempfindlichkeit, kalte Hände und Füße, schlechtes Warmwerden

  • trockene, raue, schuppige Haut, rissige Ellenbogen oder Fersen,

  • Haarausfall

  • Druck- oder Engegefühl am Hals,

  • sichtbare Vergrößerung der Schilddrüse

  • Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Verstimmungen

  • Zyklusunregelmäßigkeiten, stärkere Blutungen,

  • Probleme in der Schwangerschaft

  • eingeschränkte Fruchtbarkeit bei Frau oder Mann

  • Wachstums- oder Pubertätsverzögerungen bei Kindern und Jugendlichen


Diese Zeichen ersetzen keine Diagnostik, sie sind aber ein guter Anlass, Schilddrüsenhormone, Struktur der Schilddrüse, Jodstatus und die Versorgung mit anderen relevanten Nährstoffen genauer zu betrachten.


Wie hoch ist der Tagesbedarf

Fachgesellschaften empfehlen je nach Alter unterschiedliche Jodmengen. Für Jugendliche und Erwachsene werden meist etwa 180 bis 200 Mikrogramm pro Tag angegeben, für Säuglinge und Kinder entsprechend weniger, für Schwangere und Stillende etwas mehr.

Diese Werte sind als Mindestzufuhr gedacht, um ausgeprägte Mangelzustände zu verhindern. Wie hoch die persönlich optimale Zufuhr ist, hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von Ernährung, Jodgehalt der regionalen Lebensmittel, Darmgesundheit, allgemeinem Nährstoffstatus, Stressbelastung, Hormonlage und davon, ob bereits Schilddrüsenerkrankungen vorliegen.

Wichtig ist, Jod nicht im Alleingang plötzlich hoch zu dosieren, nur weil irgendwo von sehr jodreichen Bevölkerungsgruppen die Rede ist. Ein Organismus, der lange Zeit zu wenig Jod bekommen hat, reagiert anders als einer, der von Anfang an gut versorgt war. Besonders bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse, bei Herz-Kreislauf-Problemen, in Schwangerschaft und Stillzeit und im höheren Alter sollten Anpassungen behutsam und begleitet erfolgen.


Jod in Nahrungsergänzungsmitteln

Jod kann über verschiedene Wege ergänzt werden.

Die erste Ebene ist die Ernährung. Wer regelmäßig qualitativ guten Meeresfisch isst, gelegentlich Meeresfrüchte und vorsichtig kleine Mengen Algen nutzt, kann einen großen Teil des Bedarfs decken. Bei vegetarischer oder veganer Ernährung sollten Jodquellen bewusst eingeplant werden, zum Beispiel über gezielt dosierte Algenprodukte mit bekanntem Jodgehalt.

Die zweite Ebene sind moderat dosierte Nahrungsergänzungsmittel. Jod liegt hier meist in Form von Kaliumjodid oder als Algenextrakt wie Kelp vor. Viele gut durchdachte Präparate kombinieren Jod mit anderen wichtigen Nährstoffen wie Selen, Zink, B-Vitaminen, Magnesium und Vitamin D. Damit wird nicht nur Jod ergänzt, sondern auch das Umfeld gestützt, in dem Jod verarbeitet werden muss.

Die dritte Ebene sind höher dosierte Spezialpräparate, zum Beispiel Lugolsche Lösung oder sehr jodreiche Algenkonzentrate. Diese gehören in ein therapeutisches Setting mit erfahrener Begleitung, regelmäßiger Kontrolle von Schilddrüsenhormonen, Entzündungsmarkern, Jodausscheidung und subjektivem Befinden. Für Experimente in Eigenregie sind sie nicht geeignet.

Egal in welcher Form: Die Qualität der Produkte, transparente Angaben zum Jodgehalt, ein langsamer Einstieg und die Einbettung in ein Gesamtkonzept sind entscheidend.

Jodiertes Speisesalz – warum es allein nicht reicht

Jodsalz hat in der Vergangenheit viel zur Verringerung schwerer Mangelfolgen beigetragen. Trotzdem ist es aus mehreren Gründen keine ideale Hauptquelle.

Es basiert meist auf raffiniertem Tafelsalz. Es liefert außer Natrium und Chlorid keine nennenswerten Mineralstoffe.

Oft sind Rieselhilfen zugesetzt, die die Handhabung erleichtern, aber keinen gesundheitlichen Mehrwert haben.

Das zugesetzte Jod ist nicht vollständig stabil. Hitze, Feuchtigkeit, Licht und lange Lagerung können dazu führen, dass ein Teil des Jods im Laufe von Herstellung, Transport, Vorratshaltung und Kochen verloren geht.

Und schließlich steht Jodsalz im Spannungsfeld, dass wir einerseits über Salz Jod zuführen sollen, andererseits aber aus Herz-Kreislauf-Sicht den Salzkonsum begrenzen wollen. Ein Aufbau der Versorgung, der ausschließlich auf Jodsalz als Hauptquelle setzt, ist deshalb aus mehreren Blickwinkeln nicht stimmig.


Empfehlung und Fazit

Jod ist ein kleines Spurenelement mit großer Wirkung. Es spielt eine Rolle für Energie, Stoffwechsel, Hormone, Nervensystem, Fruchtbarkeit, die Entwicklung von Kindern und die Gesundheit vieler Drüsen, darunter Schilddrüse, Brustdrüsen, Prostata, Speicheldrüsen und Hypophyse. In Deutschland ist die Versorgung für viele Menschen eher am unteren Rand oder darunter, vor allem in meeresfernen und gebirgigen Regionen mit jodarmen Böden.

Gleichzeitig ist Jod ein Stoff, bei dem es auf das Wie ankommt. Wichtig sind die begleitenden Schutzfaktoren wie Selen, Vitamin D, Vitamin A, Zink, hochwertige Fette, ein gut funktionierender Darm und ein Stresssystem, das nicht dauerhaft überlastet ist. Genauso wichtig ist die Geschwindigkeit, mit der man etwas verändert. Ein Körper, der lange im Mangelmodus gelebt hat, braucht Zeit, um Transporter, Speicher und Regulation wieder neu auszurichten.

Statt keinerlei Jod zu konsumieren aus Angst, oder umgekehrt sofort hoch zu dosieren, ist ein Mittelweg sinnvoll: bewusste Jodquellen in der Ernährung, ein eventueller sanfter Einstieg mit moderaten Ergänzungen, Beobachtung der eigenen Reaktion und bei Bedarf fachliche Begleitung, vor allem bei bestehenden Schilddrüsenproblemen oder in sensiblen Lebensphasen.

Wenn du dich bei den o.g. Symptomen wiedererkennst, wenn die Schilddrüse bisher nur grob angeschaut wurde oder wenn du das Gefühl hast, dein System läuft dauerhaft knapp über dem Minimum, lohnt sich eine genauere Betrachtung. Ziel ist nicht, eine einzelne Laborzahl zu optimieren, sondern deinem Körper das zurückzugeben, was er braucht, um wieder mehr in seine Kraft, Klarheit und Lebendigkeit zu kommen.


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  • Autorenbild: Sonja Speck
    Sonja Speck
  • 23. Nov.
  • 4 Min. Lesezeit
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Wenn wir im funktionellen Kontext von Gesundheit sprechen, beginnt fast alles im Darm – und genau hier werden Polyphenole besonders interessant. Viele kennen sie als Antioxidantien, aber der eigentliche Effekt entsteht im Zusammenspiel mit unseren Darmbakterien und der Darmbarriere.

In diesem Blogbeitrag geht es darum, was mit Polyphenolen im Darm passiert, wie sie das Mikrobiom beeinflussen, welche Rolle sie für Entzündungen und die Darmbarriere spielen und wie man sie im Alltag gezielt nutzen kann.


Was sind Polyphenole?

Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe, also eine große Gruppe von Verbindungen, die Pflanzen zur eigenen Abwehr und Regulation bilden: Schutz vor UV-Licht, Fressfeinden, Infektionen oder anderen Stressfaktoren.


Sie kommen in vielen alltäglichen Lebensmitteln vor, zum Beispiel in:

  • Beeren, Trauben, Äpfeln, Granatapfel

  • Gemüse wie Zwiebeln, Rotkohl, Brokkoli, Artischocken

  • Oliven und Olivenöl

  • Nüssen und Samen

  • Kräutern und Gewürzen

  • Tee, Kaffee und Kakao

Je intensiver Farbe und Aroma eines pflanzlichen Lebensmittels, desto häufiger sind Polyphenole beteiligt.


Welche Wirkung haben Polyphenolen im Darm?

Nur ein kleiner Teil der Polyphenole wird direkt im Dünndarm aufgenommen. Der Großteil passiert den Dünndarm weitgehend unverändert und gelangt in den Dickdarm. Dort werden sie von der Darmmikrobiota weiterverarbeitet.

Darmbakterien spalten Zuckerreste ab, bauen komplexe Polyphenole in kleinere Moleküle um und erzeugen daraus Metaboliten, die teilweise besser absorbiert werden und oft eine eigene, zum Teil stärkere biologische Aktivität besitzen als die Ausgangsverbindung.

Ein Beispiel hierfür sind Urolithine, die aus ellagitanninreichen Lebensmitteln wie Granatapfel, Walnüssen oder bestimmten Beeren gebildet werden. Diese mikrobiell gebildeten Metaboliten können dann systemisch wirken und z. B. Entzündungswege, Mitochondrienfunktion und Barrierefunktionen beeinflussen.

Polyphenole und Mikrobiom

Die Beziehung zwischen Polyphenolen und dem Mikrobiom ist wechselseitig:

  • Die Zusammensetzung und Aktivität der Darmbakterien bestimmt, welche Polyphenolmetaboliten überhaupt entstehen und in welcher Menge.

  • Polyphenole beeinflussen umgekehrt die Zusammensetzung des Mikrobioms und das Milieu im Darm.

Studien und Übersichtsarbeiten zeigen unter anderem:

  • Polyphenole können das Wachstum potenziell günstiger Bakterien wie Bifidobakterien und Laktobazillen fördern.

  • Sie können das Wachstum bestimmter potenziell problematischer Keime reduzieren.

  • Sie wirken damit präbiotisch, auch wenn sie keine klassischen Ballaststoffe sind.

In Humanstudien mit polyphenolreichen Lebensmitteln oder Extrakten wurde mehrfach gezeigt, dass sich die Darmflora messbar verändert und sich häufig auch die Bildung kurzkettiger Fettsäuren (SCFAs) wie Butyrat erhöht. Diese Fettsäuren sind wichtig für die Energieversorgung der Epithelzellen im Dickdarm und für eine gesunde Schleimhaut.


Polyphenole und Darmbarriere

Die Darmbarriere besteht aus der Schleimschicht, den Epithelzellen mit ihren Tight Junctions und dem darunter liegenden Immunsystem. Wird diese Barriere durchlässiger, spricht man häufig von einer erhöhten Darmpermeabilität.

Bestimmte Polyphenole konnten in experimentellen Modellen:

  • die Expression von Tight-Junction-Proteinen verbessern

  • oxidativen Stress in der Darmschleimhaut reduzieren

  • die Integrität der Barriere stabilisieren

Untersucht wurden dabei unter anderem Polyphenole aus Tee, Trauben, Äpfeln oder Hafer. In Tier- und Zellmodellen wurden eine verbesserte Barrierefunktion und eine Reduktion entzündlicher Marker nach polyphenolreicher Intervention beobachtet.

Zusammengefasst tragen Polyphenole dazu bei, die Schleimhaut zu schützen, oxidativen Stress zu verringern und die „Dichtigkeit“ der Darmwand zu unterstützen.

Polyphenole, Entzündung und chronische Darmerkrankungen

In Modellen für entzündliche Darmerkrankungen (z. B. experimentelle Colitis) zeigen verschiedene Polyphenole und polyphenolreiche Extrakte, dass sie:

  • proinflammatorische Zytokine senken

  • entzündliche Signalwege wie NF-κB modulieren

  • die Schwere und Ausprägung der Entzündung reduzieren können

Diese Effekte sind zum Teil auf eine Veränderung der Mikrobiota, zum Teil auf direkte Wirkungen an Epithelzellen und Immunzellen zurückzuführen.

Das bedeutet nicht, dass Polyphenole allein entzündliche Darmerkrankungen heilen. Sie können aber ein wichtiger Baustein in einem antiinflammatorischen Gesamtkonzept sein – zusammen mit Ballaststoffen, Fettsäuren (z. B. Omega-3), Stressmanagement, Bewegung und ggf. weiterer Therapie.


Postbiotika aus Polyphenolen

Ein wichtiger Aspekt sind die sogenannten Postbiotika – also Stoffe, die durch die Aktivität von Mikroorganismen entstehen. Urolithin A ist ein prominentes Beispiel aus der Polyphenolforschung.

Urolithin A wird von bestimmten Darmbakterien aus Ellagitanninen gebildet und kann in Studien:

  • Prozesse der Mitophagie (Abbau alter Mitochondrien) anregen

  • Signalwege beeinflussen, die für Schleimhautregeneration und Immunantwort wichtig sind

  • die Barrierefunktion und entzündliche Prozesse im Darm modulieren

Interessant ist, dass nicht jeder Mensch diese Metaboliten im gleichen Ausmaß bildet. Es gibt verschiedene sogenannte Metabotypen, je nachdem, welche Bakterienarten im Darm vorhanden sind. Das erklärt, warum Menschen unterschiedlich stark von den gleichen polyphenolreichen Lebensmitteln profitieren können.


Polyphenole als „neue“ Präbiotika?

Traditionell bezeichnet man unverdauliche Ballaststoffe als Präbiotika, weil sie das Wachstum bestimmter Bakterien fördern. Inzwischen wird diskutiert, Polyphenole als eine Art „neue Klasse“ präbiotischer Substanzen zu verstehen, da sie:

  • selektiv das Wachstum günstiger Mikroorganismen fördern

  • das mikrobielle Ökosystem modulieren

  • stark im Zusammenspiel mit der Mikrobiota wirken

Neuere Reviews fassen zusammen, dass polyphenolreiche Interventionen beim Menschen das Mikrobiom positiv beeinflussen, die SCFA-Produktion erhöhen und Entzündungs- sowie Barriereparameter günstig verändern können. Art des Polyphenols, Lebensmittelmatrix, Dauer und Ausgangslage des Darms spielen dabei eine große Rolle.


Praktische Empfehlungen: Polyphenole im Alltag für den Darm nutzen

In der funktionellen Praxis gilt in der Regel: Ernährung zuerst, Supplemente nachrangig. Polyphenolreich zu essen bedeutet nicht, exotische Produkte kaufen zu müssen, sondern vorhandene Lebensmittel bewusst zu kombinieren.

Alltagstaugliche polyphenolreiche Quellen sind zum Beispiel:

  • dunkle Beeren (frisch oder tiefgekühlt)

  • Granatapfel, rote Trauben, Äpfel mit Schale

  • Rotkohl, Grünkohl, Brokkoli, Artischocken

  • Zwiebeln, Lauch, Knoblauch

  • Leinsamen, Walnüsse, andere Nüsse

  • Oliven und hochwertiges Olivenöl

  • frische Kräuter wie Petersilie, Oregano, Thymian, Rosmarin, Basilikum

  • Gewürze wie Kurkuma, Ingwer, Zimt, Kreuzkümmel, Nelken

  • grüner, schwarzer und weißer Tee, Kräutertees, Kaffee

  • Kakao in guter Qualität

Sinnvoll ist es, Polyphenole mit Ballaststoffen und gesunden Fetten zu verbinden, da diese Kombination das Mikrobiom und die Resorption zusätzlich unterstützt.


Worauf sollte man bei Polyphenolen achten

  • Eisen: Sehr polyphenolreiche Getränke wie stark aufgebrühter Tee oder Kaffee direkt zu eisenreichen Mahlzeiten können die Eisenaufnahme mindern. Bei bestehendem oder grenzwertigem Eisenmangel sollten solche Getränke eher zwischen den Mahlzeiten konsumiert werden.

  • Unverträglichkeiten: Menschen mit Histamin-, Salicylat- oder bestimmten Fruktose-/FODMAP-Problematiken reagieren nicht auf alle polyphenolreichen Lebensmittel gleich gut. Hier sind individuelle Anpassungen wichtig.

  • Hochdosierte Extrakte: Isolierte Polyphenol-Extrakte in hoher Dosis (z. B. Grüntee-Extrakt) können Nebenwirkungen haben, unter anderem auf die Leber und das Medikamentenstoffwechsel-System. Die Einnahme sollte grundsätzlich mit einem Arzt oder Therapeuten besprochen werden.


Fazit

Polyphenole sind ein zentraler Baustein für einen gesunden Darm und ein stabiles Mikrobiom. Sie werden im Dickdarm von Bakterien zu bioaktiven Metaboliten umgebaut, wirken präbiotisch, unterstützen die Darmbarriere und helfen, stille Entzündungsprozesse im Darm zu modulieren.

Wie stark diese Effekte ausfallen, hängt von der individuellen Darmflora, der gesamten Ernährung und dem Lebensstil ab. Eine vielfältige, pflanzenbetonte, polyphenolreiche Ernährung ist daher ein logischer Grundpfeiler in darmzentrierten, funktionellen Gesundheitskonzepten.





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Der Zusammenhang zwischen Darm und Immunsystem ist vielen bekannt. Spannend an der aktuellen Forschung ist, dass immer genauer untersucht wird, welche Stoffwechselprodukte der Darmbakterien dabei eine Schlüsselrolle spielen. Besonders im Fokus stehen die kurzkettigen Fettsäuren, im Englischen short-chain fatty acids (SCFAs) genannt.

Eine neue große Review-Studie aus dem Jahr 2025 fasst zusammen, wie SCFAs die antivirale Immunabwehr beeinflussen können und über welche Signalwege dieser Effekt zustande kommt. Sie ordnet gleichzeitig ein, welche Möglichkeiten und Grenzen sich daraus für Prävention und künftige Therapieansätze ergeben.


Kurzkettige Fettsäuren: was dahintersteckt

SCFAs entstehen vor allem im Dickdarm, wenn Darmbakterien Ballaststoffe und andere nicht vollständig verdaubare Kohlenhydrate fermentieren. Die wichtigsten Vertreter sind Acetat, Propionat und Butyrat.

Diese Moleküle sind deutlich mehr als nur eine zusätzliche Energiequelle für Darmzellen. Sie haben mehrere Funktionen, die für die Immunabwehr und die Schleimhautgesundheit bedeutsam sind:

Sie beeinflussen die Stabilität der Darmbarriere, also wie intakt die Schleimhaut ist. Sie modulieren Entzündungsprozesse, indem sie in Signalwege von Immunzellen eingreifen. Sie können die Aktivität von T-Zellen, B-Zellen und Zellen des angeborenen Immunsystems verändern.

SCFAs wirken dabei unter anderem über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren an der Zelloberfläche, über epigenetische Mechanismen und über Veränderungen im zellulären Energiestoffwechsel. Ein Teil der im Darm gebildeten SCFAs gelangt über das Blut auch in andere Organe.


Worum es in der neuen Review-Studie geht

Die neue Review-Studie aus dem Jahr 2025 nimmt gezielt die antiviralen Effekte von SCFAs in den Blick. Die Autorinnen und Autoren haben eine große Zahl von Tierexperimenten, Zellkulturarbeiten und ausgewählten Humanstudien ausgewertet und systematisch zusammengetragen, über welche Mechanismen SCFAs die Abwehr von Viren beeinflussen.

Im Mittelpunkt stehen dabei drei Bereiche:

  1. Rezeptorvermittelte Signalwege über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren

  2. epigenetische Effekte, insbesondere über Histon-Deacetylasen

  3. Veränderungen im Stoffwechsel von Immun- und Schleimhautzellen

Aus funktionell-medizinischer Sicht interessant ist, dass die Studie nicht nur einzelne Effekte betrachtet, sondern versucht, ein Gesamtbild zu zeichnen: vom Darmmilieu über die bakterielle Zusammensetzung bis hin zu konkreten Auswirkungen auf die Reaktion des Immunsystems bei Virusinfektionen.


Wie SCFAs laut Review in die Virenabwehr eingreifen

Die Review-Studie beschreibt mehrere Ebenen, auf denen SCFAs ansetzen.

Erstens geht es um die Barrierefunktion der Darmschleimhaut. Eine gut versorgte Schleimhaut mit ausreichender Butyrat-Versorgung zeigt in vielen Arbeiten eine stabilere Struktur der Tight Junctions, also der Verbindungsstellen zwischen den Zellen. Das kann dazu beitragen, dass Viren und andere Erreger schwerer in tiefere Schichten eindringen und systemische Entzündungsreaktionen auslösen.

Zweitens werden Signalwege der angeborenen Immunantwort beschrieben. SCFAs können die Aktivität von Makrophagen, dendritischen Zellen und natürlichen Killerzellen beeinflussen. Dabei geht es sowohl um die Erkennung viraler Strukturen als auch um die Freisetzung von Botenstoffen, die andere Immunzellen ansteuern. Ein wichtiger Punkt der Review ist, dass SCFAs helfen können, eine übermäßige, gewebeschädigende Entzündungsreaktion zu bremsen, ohne die Abwehr komplett zu blockieren.

Drittens spielt die Interferonantwort eine Rolle. Interferone sind zentrale Botenstoffe der antiviralen Abwehr. Die Review fasst Arbeiten zusammen, in denen SCFAs die Empfindlichkeit von Zellen gegenüber Interferonsignalen oder die Aktivierung interferonabhängiger Gene beeinflusst haben. Dadurch kann sich ändern, wie schnell und wie effektiv Zellen auf einen viralen Angriff reagieren.

SCFAs wirken dabei nicht nur im Darm. Über den Blutkreislauf erreichen sie auch andere Organe, etwa die Atemwege. Das eröffnet die Brücke zur Darm-Lungen-Achse und der Frage, wie der Darm indirekt die Anfälligkeit für Atemwegsinfekte mitprägt.


Verbindung zur Darm-Lungen-Achse

Parallel zu der neuen Review sind in den letzten Jahren mehrere Arbeiten erschienen, die die Darm-Lungen-Achse genauer beleuchten. Sie beschreiben, dass Veränderungen im Darmmikrobiom und in der SCFA-Produktion mit einer veränderten Immunlage in der Lunge einhergehen können.

In diesen Arbeiten zeigen sich unter anderem folgende Zusammenhänge:

Darmdysbiosen und niedrigere SCFA-Spiegel stehen häufiger mit einer erhöhten Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen und mit ungünstigen Entzündungsantworten in der Lunge in Verbindung. SCFAs können in experimentellen Modellen die Barrierefunktion der Atemwegsschleimhaut stabilisieren und die Aktivität von Immunzellen im Lungengewebe beeinflussen. Ernährungs- und Lebensstilfaktoren, die das Darmmikrobiom unterstützen, werden als möglicher Weg diskutiert, um die Abwehrkraft an den Atemwegen langfristig zu stärken.

Die neue Review-Studie zu SCFAs als antivirale Mediatoren fügt sich in dieses Bild ein, indem sie die Mechanismen hinter diesen Beobachtungen genauer beschreibt und so die Verbindung zwischen Darm, Stoffwechselprodukten und Immunantwort plausibler macht.


Praktische Konsequenzen für die funktionelle Medizin

Aus der neuen Review und den ergänzenden Übersichtsarbeiten lassen sich wichtige therapeutische Ansätze ableiten.

Erstens unterstreicht die Studie die Bedeutung einer Lebensweise, die die Darmflora und ihre Stoffwechselaktivität unterstützt. Dazu gehören zum Beispiel eine ballaststoff- und pflanzenreiche Ernährung, ausreichend Vielfalt auf dem Teller und der möglichst sparsame Umgang mit stark verarbeiteten Lebensmitteln.

Zweitens rückt die Darmbarriere in den Fokus. Faktoren wie chronischer Stress, Schlafmangel, hoher Alkoholkonsum oder bestimmte Medikamente können die Schleimhaut strapazieren. Die Review macht deutlich, dass eine stabile Schleimhaut Voraussetzung dafür ist, dass SCFAs ihre positiven Effekte voll entfalten können.

Drittens zeigt sich, dass ein genauerer Blick auf die individuelle Situation sinnvoll ist. Nicht jeder Mensch profitiert in gleicher Weise von denselben Maßnahmen. Vorerkrankungen, Stoffwechsellage, Medikamenteneinnahme und aktuelle Beschwerden spielen eine Rolle, wenn entschieden wird, welche Schritte für eine Person geeignet sind.

Viertens liefert die Studie eine Grundlage dafür, warum Ernährungs- und Darmprogramme in der Praxis bei Infektanfälligkeit, wiederkehrenden Schleimhautproblemen oder chronischer Entzündungsneigung hilfreich sein können.


Fazit

Die neue Review-Studie zu kurzkettigen Fettsäuren als antiviralen Mediatoren des Darmmikrobioms zeigt eindrücklich, wie eng Darmbakterien, ihre Stoffwechselprodukte und die Immunabwehr miteinander verknüpft sind. SCFAs wirken nicht nur lokal im Darm, sondern greifen über verschiedene Signalwege in die Regulierung von Entzündungsreaktionen und in die Abwehr von Viren ein.

Für die funktionelle Medizin bestätigt das den Ansatz, bei Infektanfälligkeit und Schleimhautproblemen gezielt auf Darmmilieu, Barrierefunktion und Ernährung zu achten.

Wer diese Erkenntnisse ernst nimmt, landet nicht bei der Hoffnung auf eine einzelne Tablette, sondern bei einem individuellen, alltagstauglichen Konzept, das Darm, Immunabwehr und Lebensstil gemeinsam betrachtet.

Diese Erkenntnisse laden dazu ein, Darm, Immunsystem und Lebensstil nicht getrennt zu betrachten, sondern als zusammenhängendes System zu verstehen, das wir Schritt für Schritt besser kennenlernen können.

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