Diabetes ist kein Schicksal: Ursachen, sinnvolle Diagnostik und Handlungsmöglichkeiten
- Sonja Speck
- 2. Nov.
- 5 Min. Lesezeit

Typ-2-Diabetes entsteht nicht plötzlich. Oft beginnt die Entwicklung viele Jahre vorher – ganz still und fast unbemerkt.
Am Anfang steht die Insulinresistenz:
Die Körperzellen reagieren nicht mehr so empfindlich auf Insulin, das Hormon, das Zucker aus dem Blut in die Zellen schleust. Damit der Blutzucker trotzdem normal bleibt, schüttet der Körper mehr Insulin aus. Das funktioniert eine Zeit lang, aber der Preis ist hoch: dauerhaft erhöhte Insulinspiegel. Mit der Zeit gerät das ganze System aus dem Gleichgewicht – Leber, Fettstoffwechsel und Energiehaushalt leiden.
Warum der Nüchternzucker und der HbA1c nur halbe Wahrheit zeigen
Nüchternblutzucker misst den Zuckerwert am Morgen, wenn man nichts gegessen hat. Er zeigt, wie stark die Leber nachts Zucker produziert und ob Insulin das noch bremsen kann. In der Frühphase einer Insulinresistenz sehen diese Werte oft normal aus – weil der Körper einfach mehr Insulin ausschüttet, um das zu kompensieren.
HbA1c – oft „Langzeitzucker“ oder „Drei-Monats-Zucker“ genannt – misst, wie viel Zucker sich in den letzten drei bis vier Monaten an die roten Blutkörperchen angelagert hat. Er ist also ein Durchschnittswert, kein Echtzeitwert. Er zeigt nicht, ob es zwischendurch zu starken Zuckerspitzen nach dem Essen oder Abfällen zwischendurch kommt – also zu Schwankungen, die bereits problematisch sind. Das heißt: Der HbA1c glättet die Realität. Er verschönert sie, weil er die Extreme unsichtbar macht.
Fettleber, metabolisches Syndrom und Insulinresistenz – drei Seiten derselben Medaille
Eine Fettleber entsteht, wenn zu viel Zucker als Fett in der Leber eingelagert wird. Das passiert besonders dann, wenn Insulin ständig erhöht ist – also bei einer Insulinresistenz. Die Leber produziert dann selbst zusätzlichen Zucker, anstatt sich bremsen zu lassen. Das führt zu einem Teufelskreis: mehr Zucker, mehr Insulin, mehr Leberfett.
Mit der Zeit entwickeln sich daraus oft andere typische Bausteine des metabolischen Syndroms:
erhöhte Triglyceride
niedriger HDL-Wert („gutes Cholesterin“)
erhöhter Blutdruck
zunehmender Bauchumfang
Insulinresistenz
Alle diese Punkte hängen miteinander zusammen – und der gemeinsame Nenner heißt Insulinresistenz.
Anzeichen der Frühphase eines gestörten Zuckerstoffwechsels:
Müdigkeit oder Energieloch 1–3 Stunden nach dem Essen
Heißhunger, vor allem auf Süßes oder Kohlenhydrate
Stimmungsschwankungen, „hangry“-Gefühl bei längeren Pausen
Schlafstörungen, morgendliche Erschöpfung
Gewichtszunahme am Bauch oder Stillstand trotz Diät
Erhöhte Triglyceride, niedriger HDL-Wert
Hautveränderungen (z. B. kleine Hautanhängsel oder dunklere Hautstellen im Nacken/Achselbereich)
Verdauungsstörungen (z. B. Blähungen, weicher Stuhl, Völlegefühl) – besonders, wenn die Leber durch Fetteinlagerung überfordert ist
Taillen-zu-Größe-Verhältnis: Messe deine Taille an der schmalsten Stelle (zwischen Rippenbogen und Hüfte) und teile sie durch deine Körpergröße.
Beispiel: Taille 80 cm, Größe 170 cm → 80 ÷ 170 = 0,47Werte über 0,5 gelten als Warnsignal für eine beginnende Stoffwechselstörung.
Welche Marker helfen in der Praxis?
HOMA-Index: Misst Nüchternglukose und Nüchterninsulin – zeigt, wie viel Insulin nötig ist, um den Zucker stabil zu halten. Er gilt als Frühindikator für Insulinresistenz.
TyG-Index: Ein praktischer Marker, wenn kein Insulinwert vorliegt. Er kombiniert nüchterne Zucker- und Fettwerte (Triglyceride). Je höher der TyG-Wert, desto wahrscheinlicher eine Insulinresistenz und damit ein erhöhtes Risiko für Fettleber oder metabolisches Syndrom.
Fettleber-Index (FLI): Er verbindet BMI, Taillenumfang, Triglyceride und GGT (ein Leberenzym).
unter 30 → Fettleber unwahrscheinlich
über 60 → Fettleber wahrscheinlich
Werte zwischen 30 und 60 gelten als Graubereich. Es ist keine valide Diagnosemethode aber kann ein wertvoller Hinweis in der gesamten Diagnostik sein.
Was diese Werte leisten – und was nicht
Diese Marker beantworten die Frage: „Steht mein Stoffwechsel schon unter Druck?“
Sie zeigen, dass eine Insulinresistenz oder Fettleber entstanden ist.
Aber sie beantworten nicht die Frage: „Wie ist es dazu gekommen?“
Warum-Suche: mögliche Ursachen
Laborwerte allein sagen wenig aus, die Ursachen klärt erst die Anamnese – mit Fragen zu Lebensstil, Ernährung, Bewegung, Schlaf, Stress, Medikamenten und Vorerkrankungen.
Alltagsgewohnheiten
Zu wenig Bewegung
Viel Sitzen, kaum Schritte
Ungünstige Essenspausen (ständiges Snacken)
Flüssige Kalorien (Säfte, Milchkaffee, Alkohol)
Ernährung
Viele schnelle Kohlenhydrate, wenig Ballaststoffe
Zu wenig Eiweiß und Gemüse
Kaum Bitterstoffe (Leberentlastung fehlt)
Nährstoffmangel
Fehlen wichtige Mikronährstoffe, funktioniert die Insulinwirkung schlechter:
Magnesium: aktiviert die Insulinrezeptoren
Zink: wichtig für die Bildung und Ausschüttung von Insulin
Chrom: verbessert die Bindung von Insulin an seine Rezeptoren
Vitamin D: beeinflusst die Insulinausschüttung und Empfindlichkeit der Zellen
Omega-3-Fettsäuren: senken Triglyceride und Entzündung
Myo-Inositol, Alpha-Liponsäure, Cholin, Taurin: unterstützen Leber und Insulinempfindlichkeit
Selen, Mangan, B-Vitamine (B1, B3, B6): Cofaktoren der Energiegewinnung
Zugrunde liegende Grunderkrankungen
Schilddrüsenunterfunktion
Eisen-, Eiweiß- oder Jodmangel
Nebennieren-Schwäche, Q10-Mangel, Magnesiummangel
Vitamin-D- oder B-Vitamin-Mangel (hohes Homocystein)
HPU, Schwermetallbelastungen
Zahnherde oder chronische Infektionen
Alle diese Ursachen führen zu Energieknappheit in der Zelle – und der Körper reagiert darauf, indem er mehr Zucker bereitstellt. So entsteht schleichend die Insulinresistenz.
Was du konkret tun kannst
Bewegung direkt nach dem Essen
10–15 Minuten zügig gehen nach jeder Mahlzeit senken Blutzuckerspitzen messbar – der Muskel nimmt den Zucker direkt auf, ohne dass mehr Insulin nötig ist.
Muskelaufbau
Muskeln sind die größten „Zucker-Speicher“ des Körpers. Mehr Muskelmasse = größerer Puffer = stabilerer Blutzucker. Zwei bis drei kurze Krafttrainings pro Woche
Ballaststoffe und Kohlenhydrate
Ballaststoffe bremsen den Zuckeranstieg nach dem Essen.30–40 g täglich über Gemüse, Hülsenfrüchte, Beeren, Nüsse, Leinsamen. Bevorzuge komplexe Kohlenhydrate (Vollkorn, Hafer, abgekühlte Kartoffeln).Vermeide schnelle Zuckerquellen (Säfte, Süßigkeiten, Weißmehlprodukte).
Eiweiß pro Mahlzeit
25–35 g Eiweiß machen satt, stabilisieren den Blutzucker und schützen die Muskulatur.Tipp: Erst Eiweiß und Gemüse, dann Kohlenhydrate essen.
Mahlzeitenrhythmus und Pausen
Drei Hauptmahlzeiten am Tag
4–5 Stunden Essenspause dazwischen
In den Pausen keine Kalorien – kein Saft, keine Milch im Kaffee
Über Nacht 12–14 Stunden Essenspause für die Leberregeneration
Kohlenhydratmenge
100–150 g pro Tag sind für viele ideal – moderates Low-Carb, alltagstauglich.
Leber entlasten
Weniger Alkohol, weniger Fruchtzucker, mehr Bitterstoffe (Rucola, Artischocke, Chicorée), ausreichend Eiweiß und Schlaf.
Fazit
Früher sagte man „Altersdiabetes“, weil Typ-2-Diabetes vor allem bei Älteren vorkam – weil die Leistungsfähigkeit der Organe, so auch der Bauchspeicheldrüse im Alter physiologisch nachlässt und die Muskelmasse abnimmt. Heute passt diese Bezeichnung nicht mehr: Die Krankheit rückt in jüngere Lebensphasen vor und wächst insgesamt deutlich. Weltweit lebt etwa jeder Neunte mit Diabetes, Tendenz steigend; bis 2050 werden rund 853 Millionen Erwachsene erwartet. Das hat weniger mit dem „Alter“ zu tun als mit unserem Lifestyle und unserer Ernährung – deshalb sprechen viele treffender von „lebensstilbedingtem Typ-2-Diabetes“ oder „Zivilisationsdiabetes“.
Kurz gesagt: Typ-2-Diabetes entsteht vor allem durch Lebensstil – zu wenig Bewegung, energiedichte Ernährung, zu wenig Schlaf und viel Stress – und wird durch biologische „Bremsen“ verstärkt. Dazu zählen etwa eine Schilddrüsenunterfunktion, eine überlastete Stressachse und Nährstoffmängel.
Das Entscheidende:
Typ 2 Diabetes ist kein Schicksal! Die Welle der Neuerkrankten nimmt zu, aber mit der richtigen Diagnostik und den richtigen Therapieinterventionen und Lifestyle-Anpassungen kann diese Erkrankung umgangen werden.
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